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Waldbaden und fotografieren

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

Was hat das japanische Konzept des Waldbadens mit Fotografieren zu tun? Ganz einfach: es ist die bewusste Beschäftigung mit allen Sinnen, beides ist beruhigend und stressreduzierend. Die aktive Auseinandersetzung mit dem Wald als „Fotoobjekt“ ist zu jeder Jahres- oder Tageszeit eine Herausforderung. Ruhig und mit Bedacht einen Wald zu erkunden und viele Details zu entdecken. Es gibt vielerlei Möglichkeiten sich ein Motiv im Wald zu suchen. Von Minimalismus, Detailaufnahmen bis Weitwinkel – die Perspektiven, Ausschnitte und Motive sind vielfältig. So vielfältig, dass man den Wald vor lauter Bäumen bzw. das Motiv nicht oder nur schwer findet.

Naturfotografie, Wald, Nebel

Linien, Farben und Nebel - Copyright © Sabine N. Grill

Berausche mich, Wald

Waldbaden [shinrin yoku] - was ist das? Du nimmts die Atmosphäre des Waldes bewusst auf; es ist langsames Schlendern mit allen fünf Sinnen – sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen. Der Wald wirkt sinnlich auf unseren Körper und unser Nervensystem. Moose, Blätter, Vogelgezwischer, Wind - also Erleben wie zum ersten Mal - Staunen wie ein Kind.

 

Der Aufenthalt im Grünen [bitte so lautlos wie möglich] ist pure Entspannung, da auch Puls und Blutdruck sinken, die Augen durch die optisch gefälligen Farben ausgeruhter werden. Der Geruch des Waldes macht etwas Positives mit uns. Die botanischer Duftstoffe, meist von Nadelbäumen, stärken unser Immunsystem. Der Aufenthalt im Wald wirkt somit stressmindernd. Und vieles mehr, was auch schon mit Studien und Forschung belegt ist.

 

Waldszenen finden

Zurück zum Fotografieren: Durchs Beobachten kann ich Bäume, den Wald als Gesamtes besser sehen und lasse mich beeindrucken, damit finde ich Bildausschnitte wie optisch heraustretende einzelne Bäume, Äste oder besondere Farben oder Formen.

 

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten das Waldprojekt anzugehen. Gut ist, wenn man ein Gebiet schon kennt oder eine neue Location erforscht und spontan spannende Bildkompositionen findet.

 

Fotografie hat mit Schauen zu tun – mit der Aufnahme von Eindrücken. So setze ich mich gerne mal hin und beobachte. Lausche dem Wind, wie er die Blätter bewegt, welche Geräusche ich höre, wie er übers Gesicht streicht.

Rieche den Wald und die Erde ... aber das kann ja jeder für sich mal ausprobieren.

 

Und ja, es kann vorkommen, dass ich an dem Tag kein Motiv finde, weil die Bedingungen nicht stimmen. Aber ich habe möglicherweise schon eine Idee für eine andere Jahreszeit oder Tageszeit. Und der Aufenthalt in der Natur ist immer  wertvoll, ob mit oder ohne Kamera.

Linien und Farben - Copyright © Sabine N. Grill


 

Bei schon bekannten Regionen sind beispielsweise jahreszeitliche oder tageszeitliche Betrachtungen interessant. Ein markanter Baum ist im trüben Wetter mit blassen Farben vielleicht nicht so spannend wie im Herbst mit bunten Blättern oder im Winter, wenn sich die Farben minimalistisch reduzieren.

 

Ebenso ist es gut zu wissen ob es zum Beispiel eine Region ist, die sich für Pilze und Flechten eignet oder wann es Waldblumen gibt. Frisches Grün im Frühling hat im Wald eine andere Stimmung als der Farbrausch im Herbst oder die Reduziertheit der Farben bei Schnee.

 

Licht und Farben sehen

Framing im Nebel - Copyright © Sabine N. Grill

Herausfordernd sind neben der Motivwahl auch die besonderen Lichtverhältnisse. Gut sind Situationen im Nebel, da einzelne Bäume und Zweige besser herausgehoben werden können und der Rest des Waldes optisch in den Hintergrund „verschwindet“.

 

Ebenso sind Streiflichter bzw. wenn Sonnenstrahlen einfallen besonders dazu geeignet Elemente herauszuheben und eine Tiefe im Bild zu erzeugen.


Morgen- bzw. Abendlicht ist weich und moduliert Farben und Linien, im Winter ist der Sonnenverlauf flacher und gibt weicheres Licht. Andererseits kann grelles Sonnenlicht – wie meistens – die Stimmung im Wald stören.

 

Nebel und Schnee sind herausfordernd. Zwar sind dabei die Landschaften vereinfacht, d.h. Bäume bzw. Baumgruppen stehen optisch hervorgehoben, weil Nebel oder Schnee die Szenerie aufgeräumter erscheinen lässt. Dabei ist auf den Weißabgleich zu achten. Automatischer Weißabgleich tendiert eher zum Gräulichen, somit ist eine manuelle Belichtungskorrektur vorteilhafter. Bei Schnee z.B. auch etwas überbelichten.

 

Da gehört auch etwas Übung dazu bzw. auch mal das Histogramm ansehen. Es zeigt Unter- und Überbelichtung, kontrastarme Bilder und das Überschreiten des Kontrastumfangs. Aufgenommene Fotos nur über das Kameradisplay zu überprüfen, kann täuschen. Und zu Hause am PC erlebt man möglicherweise eine unbefriedigende Überraschung, wie es wirklich geworden ist. Dann steht natürlich die Nacharbeit in den diversen Bildbearbeitungsprogrammen an. Natürlich lässt sich damit vieles nachträglich bearbeiten, aber wer möchte schon mehr Zeit mit der Retusche verbringen als mit Fotografieren?

 

Auch das Thema Farben ist ein unendliches. Am besten einen Polarisationsfilter (Polfilter) im Wald verwenden, weil er die Grünwiedergabe verbessert.

 

Motive

Als Motive eignen sich neben Baumgruppen, einzelnstehenden Bäumen auch besonders gebogene Äste oder Farb- bzw. Lichtstimmungen. Waldwege und Linien, die durch die Bildkomposition führen und somit dem Bild eine optische Tiefe verleihen.

 

Als Nahaufnahmen eignen sich Blätter, Rinden, Pflanzen oder Pilze. Weitwinkelaufnahmen, Wasserfälle in Langzeitbelichtung und Spiegelungen haben auch ihren Reiz. Natürlich auch Tiere, aber das ist eine andere Geschichte. Also nicht so viel auf einmal vornehmen. Erstens wird dann der Fotorucksack zu schwer bei zu vielen Objektiven (Makro, Weitwinkel, Tele) oder man setzt sich selbst unter Druck. Und Druck ist auch in der Fotografie nicht so günstig.

 

Wer etwas experimentieren möchte, kann abstrakte Fotografie (ICM - intentional camera movement) oder Doppelbelichtungen ausprobieren.

Nahaufnahme Pilze - Copyright © Sabine N. Grill


Zum Schluss

Es ist immer ein Genuss im Wald zu sein, mit oder ohne Kamera. Lass dich verzaubern.

 

Ich wünsche viel Freude beim nächsten Waldaufenthalt und den Erfahrungen. Und nicht vergessen: Immer gut zur Natur zu sein.

 

Alles Liebe und Gut-Blick,

Eure


Vorbereitung

  • Bekanntes Gebiet oder Expedition (Sondierung über Google, Bücher, Wanderkarten, Bildinspirationen, Workshops, Expertenwissen und Tipps von anderen Fotograf*Innen)
  • Wie ist das Wetter, wann ist Sonnenaufgang und -untergang? (Wetterkarten/Apps)

Kameraausstattung

  • Bei der Erwanderung eines Gebietes ist es vorteilhaft nicht so viel an Objektiven mitzunehmen
  • ein Stativ ist praktisch (auch, wenn man z.B. alleine ist und sich den Fuß verletzt, kann es als Gehhilfe benützt werden (mir auch schon passiert)
  • Speicherkarten
  • Reserveakkus (bei Kälte Kamera und Akkus am Körper tragen, dann sind sie nicht so schnell leer)
  • Bei allen Jahreszeiten, wo Grün und Blau vorkommt hilft ein Polfilter

Sicherheit geht über alles – auch über den besten Shot

  • Wenn man alleine unterwegs sein will, zumindest jemanden hinterlassen, wo man wie lange unterwegs ist - ganz wichtig im steilen Gelände bzw. Gebirge und bei Wetterumschwüngen, etc.
  • Smartphone mit Notrufnummern bzw. zur Orientierung (z.B. WanderApps)
  • am besten eine zweite Person mitnehmen (auf Sicht- bzw. Rufweite)
  • Erste-Hilfe-Set

Kleidung/Kameraschutz

  • Je nach Gebiet bzw. Jahreszeit und Wetter (Regenhose, wasserdichte Wanderschuhe, Handschuhe, Wechselsachen, Sonnenschutz …. etc.)
  • Regenschutz für die Kamera ist auch ganz praktisch

Für Zwischendurch

  • Wasser/Tee und kleine Snacks nicht vergessen - nicht immer ist irgendwo eine Einkehrmöglichkeit und manchmal kann es länger dauern, daußen zu sein

 

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